5.2.05

Gästeliste: Birgit H. Hölscher


Birgit Hölscher

Name: HÖLSCHER
Vorname: BIRGIT H.
Heimatadresse: HAMBURG

Ankunft im TERMINUS: in Kapitel 7

Nie wieder Mieder
Harry Gorgonzola, der Dessousvertreter, hat das Spannen durch diskrete Löcher in Hotelzimmerwänden zur hohen Kunst erhoben. Es ist sehr erregend, was er da im Zimmer der Staatssekretärin zu sehen bekommt - bis er Zeuge eines Mordes wird


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Darauf, was er in den beiden großen, an den Kanten leicht abgeschabten Koffern mit sich herumträgt, würde man nie im Leben kommen, wenn man Harry Gorgonzola so sieht. Diesen stillen, kleinen Mann mit den vorgeschobenen Schultern in dem verknautschten Jackett, der vor dem Empfangstresen des TERMINUS höflich darauf wartet, dass der Portier mit der goldbetressten Operettenlivree und der schiefen Nase sich um ihn kümmert. Der stets darauf bedacht ist, niemandem Mühe zu machen und dem man nichts Exotisches, in irgendeiner Form von der Norm Abweichendes zutraut, als vielleicht eine stille Leidenschaft für Orchideen oder Zierfische. Er scheint, mit Ausnahme seines unwahrscheinlich klingenden, aber echten Familiennamens, ebenso unauffällig und berechenbar zu sein wie sein gesamtes Leben. 332 Nächte des Jahres verbringt er in Hotels. Allein. Natürlich allein. Oder glauben Sie, ein Vertretergehalt würde für professionelle Gesellschaft ausreichen? In den verbleibenden Tagen des Jahres lebt Harry, zusammen mit anderen Alleinstehenden, in einer kleinen Pension wenige Straßen von seinem ehemaligen Elternhaus entfernt.
Jetzt nimmt er den Zimmerschlüssel entgegen und hebt leicht schnaufend die beiden Koffer an, in denen Dutzende zarter Schlüpfer, straffender Mieder, exquisiter Trikotagen und delikater Dessous für die elegante Dame mit stilsicherem Geschmack ruhen. Edle Stücke aus Seide, Satin und Spitze, durchbrochen, bestickt und kunstvoll paspeliert: seine Verkaufsmuster aus der aktuellen Herbstkollektion. Hier im TERMINUS reserviert Harry, wie in allen Hotels an seiner üblichen Route, traditionell das selbe Zimmer. Die 24 im zweiten Stock ist praktisch gelegen, zwischen einem Doppel- und einem anderen Einzelzimmer. Darauf achtet er, dass es nach beiden Seiten etwas zu sehen gibt, denn das ist elementarer Bestandteil seiner heimlichen Passion. Doppelzimmer sind dabei, seiner Erfahrung nach, meistens ergiebiger.

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