2.2.05

Gästeliste: Edith Kneifl

Name: KNEIFL 
Vorname: EDITH
Heimatadresse: WIEN
Ankunft im TERMINUS: in Kapitel 4

Der letzte Auftritt
Victor Lasky trägt sich als Victor Lazlo ein: Der abgewrackte Pornostar ist in der Stadt, um mit allem abzuschließen. An seinem Entschluss kann auch Rosa Markowski nichts ändern, eine seiner ehemaligen Porno-Partnerinnen, die der Zufall auch ins TERMINUS gespült hat.

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An der Rezeption stand ein großer, dunkelhaariger Mann. In der einen Hand einen Koffer, in der anderen eine Reisetasche.
Henk reichte ihm das Anmeldeformular und musterte ihn mit müden Augen.
Sein Drei-Tage-Bart schien keine modische Attitüde zu sein, sondern das Resultat einer langen Zugfahrt in einem Zweite-Klasse-Abteil. Unter dem schlichten grauen Trenchcoat trug er einen dunklen Anzug, der bestimmt schon bessere Tage gesehen hatte. Der Kragen seines weißen Hemdes war nicht ganz sauber. Die Krawatte saß locker.
Der Mann stellte sein Gepäck auf den Boden, griff nach dem Kugelschreiber und zögerte ein paar Sekunden, bevor er sich als Victor Laszlo, wohnhaft in Wien, 2. Bezirk, eintrug.
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Sein richtiger Name war Viktor Lasky. Er hatte keine Wohnadresse, nur ein Postfach in Wien.
Der Portier sagte: "Geburtsort und Datum fehlen."
Wie immer machte sich Viktor um fünf Jahre jünger. Als Geburtsort gab er Budapest an, obwohl er vor achtundvierzig Jahren in Györ das Licht der Welt erblickt hatte.
"Ich möchte die erste Nacht gleich bezahlen", sagte er in der Hoffnung, dass dieser unausgeschlafene Portier dann keinen Ausweis verlangen würde.
Henk kassierte fünfundfünfzig Euro und fragte: "Berufstätig?"
"Schauspieler", seufzte Viktor, schrieb aber "Filmemacher" hin.
In dieser Preiskategorie, dachte er auf dem Weg zum Fahrstuhl, sehen alle Hotels der Welt gleich aus. Von der Eleganz des ausgehenden 19. Jahrhunderts war kaum etwas zu bemerken. Abgetretene Teppiche, zerschlissene Polstermöbel, schmutzig gelbe Wände. Die hübschen Jugendstillampen spendeten nur spärliches Licht.
Der Lift öffnete sich, zwei Männer traten heraus und steuerten den Ausgang an, ohne Viktor auch nur eines Blickes zu würdigen.
Die attraktive Rothaarige musste schon eine ganze Weile regungslos in der Tür der Bar gestanden haben. Aber erst jetzt bemerkte er, dass sie ihn anstarrte.

Gästeliste: H.P. Karr


Vorname: H.P.
Heimatadresse: ESSEN
Ankunft im TERMINUS: in Kapitel 3

Schreibers Geschichte
Schreiber ist die Edelfeder eines Hamburger Magazins. Im TERMINUS hat er Schreckenberg versteckt, den Ex-Banker, der Daten über dubiose Geschäfte seiner Bank zum Kauf anbietet. Aber ist das wirklich die Story, die Schreiber schreiben will?

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Es gab Tage, da mochte Schreiber die Leute, da half er sogar den Muttis mit dem Kinderwagen über die Treppen und machte den Omas Platz. An diesen Tagen war er mit sich selber im Reinen, fragte sich nicht, was er noch erreichen wollte, zerkratzte sich nicht das Hirn wegen irgendeiner Story. Ganz entspannt im Hier und Jetzt, das war er an diesen Tagen. Bloß war heute keiner davon.
Nicht, dass Schreiber etwas an dem Hotel auszusetzen gehabt hätte. Im Vergleich zu den Dreckloch in Tirana, in dem er damals auf die Audienz mit dem durchgeknallten Rebellenführer gewartet hatte, war das TERMINUS sogar erste Sahne. Das Zimmer verstrahlte den Charme der frühen Neunziger; ein Teppichboden, für dessen Farbe er versuchsweise den Begriff "kotzgrün" prägte, dazu ein halbwegs akzeptables Bett und das übliche Nullmobiliar. Auf dem Schreibtisch die Kunstledermappe mit den Hotelinfos. Vom Bildschirm seines Laptops spottete ihn eine halb leere Manuskriptseite an.

Gästeliste: Regula Venske

Name: VENSKE 
Vorname: Regula
Heimatadresse: HAMBURG
Ankunft im TERMINUS: in Kapitel 1

Siebenschläfer
Über Carlos den Nachtportier und seine letzte Nacht im TERMINUS, eine Geburt und die Suche nach dem verschwundenen Gemächt.

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Sobald er zur Tür hinausgetreten war und die beiden Eingangsstufen hinuntergehumpelt, war aus Carlos, wie er sich seit einiger Zeit nannte, wieder Krüppel-Carlo geworden. Er klappte den Kragen seines alten Staubmantels hoch, zog den Gürtel fester um die Taille und seufzte. Würde dieser Regen je ein Ende nehmen? Wenn es doch wenigstens ein anständiger, erfrischender Sommerregen gewesen wäre! Einer, der zur Jahreszeit passte. So ein eleganter Platzregen, der die Leute laut aufjuchzen und in den Straßen tanzen ließ. Ein veritabler Wolkenbruch, der den einen oder anderen Mitmenschen dazu verführte, in der Hotelhalle seine Zuflucht zu suchen und ein Gläschen mit ihm zu trinken oder zwei. Ein gediegener Guss, bei dem man wusste, woran man war. Der die Blusen der Frauen durchtränkte, sodass sie an der bloßen Haut festklebten und sich die darunter befindlichen Rundungen anmutig abzeichneten. Ach, ihre malvenfarbenen Knospen. Bei der bloßen Vorstellung musste Krüppel-Carlo noch einmal seufzen. Dieser Nieselregen brachte nichts. Führte zu nichts, taugte nichts. Lediglich eine trübe Stimmung ließ er aufkommen, als wäre heute der leibhaftige Buß- und Bettag, wie man ihn in Jugendjahren zur Genüge kennen gelernt hatte. Oder Heiliger Abend. Die Sorte Weihnachten, die den Schnee am meisten vermissen ließ. Tatsächlich hätte er jetzt lieber Frost und Schnee gehabt als diese laue Nässe.
Wie das Wetter heute war, so sollte es angeblich sieben Wochen lang bleiben. Nun, das war, wenn man es recht betrachtete, weniger eine Drohung als ein Versprechen – das Versprechen nämlich, dass es nur sieben Wochen so bleiben würde. Dieses Drippelwetter war doch von einer derart aufdringlich unscheinbaren Art, dass man befürchten musste, es würde einem für den Rest des Jahres und immer und ewig weiter so wie heute in den Kragen tropfen. Wirklich perfide, dachte Krüppel-Carlo. Und dass Henk ihn wieder hatte warten lassen, hatte seine Stimmung auch nicht gerade gesteigert. Aber damit wäre es bald schon vorbei. Henks letzte Nacht hatte begonnen. Genauer gesagt, Krüppel-Carlos letzte Nacht.