5.2.05

Gästeliste: Roger M. Fiedler



Name: FIEDLER
Vorname: ROGER M.
Heimatadresse: ASBACH

Ankunft im TERMINUS: in Kapitel 9

Kleine Fische
Buus, Hönne und Lögesaak, die Kiddie-Clique, hängt vorm TERMINUS herum, sprayt Sägefische an die Fassade und will unbedingt rein, weil sie gehört haben, dass Jeanette dort absteigen wird. Jeanette, der Superstar...

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"Zwanzigtausent Euro im Koffer auf die Strase legen, oder das ganse Hotell brennt." "Hotell brennt" war durchgestrichen und stattdessen geschrieben: "Bombe" - "Bombe" war nochmal durchgestrichen und ersetzt: "Alle Scheiben kaput".
Die Sägefischgäng hier unten im Lichtkegel der Neonlaterne besteht aus drei Personen. Buus, Hinnerich und Lögesaak. Buus hat den Mist geschrieben. Hinne und Lögesaak verlieren kein Wort darüber. Weder über die Orthographie noch über den Rest. Was sie sich ausgemalt haben, ist keine große Sache. Anködern, Drillen und Schocken war der Fahrplan, der Plan B, Plan X, wie immer man ihn nennen will, der Plan für alle Fälle. Das Telefonat mit Henk hat ja nun zu nichts geführt. Lögesaak weiß, warum. Sagen tut er nichts. Jetzt machen sie es mit Gewalt. Ist eh schon zu spät. Hinne kennt sich mit den Caps aus. Kaum sind sie über die Straße gerannt, entsteht unter seiner Hand das Zeichen an der Wand. In einem einzigen Ansatz. Bemerkenswert, muss man sagen.
Die Hand zischt los, und ein helles Blau legt sich in dünner Linie über den Sandstein im Erdgeschoss, schlängelt sich in einem Bogen nach hinten, dann ein Dreieck, das wird der Schwanz, und spiegelverkehrt wieder zurück: ein Fisch. Hinnes Dreh ist das Gebiss. Niemand kriegt Gebisse hin wie er. Grauenvolle Gebisse, Furcht einflößende Gebisse. Darum ist er dabei. Die kleinen Dreiecke im Mund des Sägefischs zappeln sich aus seiner Sprühdose, als wären sie da drinnen schon so vorgefertigt gewesen, und die fast genauso geformten Zähne in Hinnes Mund lachen dazu zwischen seinen Lippen hervor. Ein dreckiges Lachen, eines aus einem Zeichentrickfilm mit Ratten. Am Ende malt er noch die Antenne vornedran, und der Sägefisch ist fertig. "Der ist wie Herr Kaleun sein Fisch", meckert Buus, und Hinne sprüht zur Erklärung "Swordfish" drunter. Buchstabe für Buchstabe, Stein für Stein, mehrmals das ganze, Wand für Wand. Trotzdem immer noch alles ruhig im Hotel. "Niemand gesehn - haun wir ab!"
"Schmeißen wir wenigstens die Lampen ein!", rät Lögesaak, und fixiert dabei die beiden barocken Plastikkandelaber links und rechts des Hoteleingangs, aber Buus hat ausnahmsweise schon genug, und Hinne ist in glückselige Betrachtung seines Kunstwerks versunken. Später wird Lögesaak sagen, er hätte hier schon geahnt, dass diese Großmäuligkeit ihn irgendwann mal reinreiten wird. Aber jetzt ist es Buus, der als einziger um den Mann am Fernrohr oben weiß. Buus ist der General, derjenige, der den Überbiss behält - auch in brenzligen Situationen. So jedenfalls würde Lögesaak die Sache ausdrücken. Der Militärscheiß ging dem Soldaten schon immer auf den Sack. Befehle und der ganze Mist. "Los, weg!", raunzte Buus, und das Fußvolk gehorchte - ausnahmsweise noch einmal - und rannte, was das Zeug hielt.
***
Henk kam raus, stellte sich vor die Tür unter die flackernde Leuchtreklame und atmete mit einem tiefen Zug die Nachtluft ein. Beim Ausatmen klang es wie ein Stöhnen. Sein Kopf schüttelte sich dazu, und so ließ sich weiter spekulieren, was mal wieder im Hotel nicht nach seinen Plänen lief. Wenn der alte Portier überhaupt noch Pläne hatte. Links an der Wand - von ihm aus gesehen rechts - prangte der frische Fisch, doch Henk schien nur eine leichte Veränderung der Luft zu bemerken. Riechen gemalte Fische? Henks Nase knitterte sich, als wolle ein Nieser heraus, und im Moment, als sein Gesicht sich allmählich zu drehen begann, schellte drinnen das Telefon, und Henk eilte zurück.
"Ab in deine Hütte", bemerkte Lögesaak. Er war der Akrobat an den Wörtern. Die Gäng hockte am Abbruchgrundstück schräg gegenüber und ein Stück die Straße runter, gute fuffzich Meter entfernt. Die Atemfrequenz der Jungs hatte sich verdoppelt. Wie viel sind fuffzig Meter in Euro?
"Halt die Klappe!" Sechs Augen schielten um die Ecke. Wichtigeres zu tun. Frage: Wofür war ein Fisch gut, wenn ihn keiner sah? Aber andererseits wusste man auch wieder nicht, was dann passieren würde, wenn jemand ihn sah. Lögesaak war der Meinung, man werde schon sehen, und dass man sehen werde, ließe sich machen, man müsse dazu, und dann werde man schon sehen, einfach eine Scheibe einwerfen. Im Hotel. Oder gleich die Tür. Dann nämlich müsse der Portier aus seiner Hütte.
"Ja und?", sagte Buus, dachte an das Fernrohr hinter dem Fenster und suchte nach einem passenden Wort für diesen Plan, irgendwas cooles, "wozu solln das gut sein? Du, eh", und dann fiel ihm was ein, was ihm gefiel: "Du Schnellmerker?" Lögesaak machte dauernd diese Art von Plänen, ausführen tat er nie einen. Sein Mund formulierte Gemeinheiten, seine Augen suchten nach einem Täter, der sie ausführen würde. Nun suchte auch Buus. Es blieb nur einer. Doch Hinne fand noch immer seinen Fisch ganz toll, und das mit dem Stein, das war nicht sein Ding sowas. Er ging. Jedoch die falsche Richtung. Er ging die Straße rauf. Er wollte sein Werk noch mal sehen. Die Dosen ließ er vorsichtshalber hier. Voll bescheuert war er denn doch nicht. Buus stopfte sich seinen Drohbrief in die Tasche. Für alle Fälle.


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